
(AGENPARL) – mer 14 dicembre 2022 Südtiroler Landtag
[Plenarsitzung – Generaldebatte zum Landeshaushalt 2023 – mit FOTOS und VIDEO](https://www.landtag-bz.org/de/aktuelles/pm-landtag-aktuell.asp?art=Suedt672036)
Landtag – Die Stellungnahmen von Foppa und Staffler
Link Video (Landtag/Gnews): [https://we.tl/t-y2mJZGK4Kl](https://we.tl/t-y2mJZGK4Kl?utm_campaign=TRN_TDL_05&utm_source=sendgrid&utm_medium=email&trk=TRN_TDL_05)
Der Landtag hat heute mit der Debatte zu den drei Gesetzentwürfen zum Haushalt begonnen: [Landesgesetzentwurf Nr. 119/22](http://www2.landtag-bz.org/de/datenbanken/akte/angaben_akt.asp?pagetype=fogl&app=idap&at_id=667366&blank=Y) Landesstabiltätsgesetz für das Jahr 2023, [Landesgesetzentwurf Nr. 120/22](http://www2.landtag-bz.org/de/datenbanken/akte/angaben_akt.asp?pagetype=fogl&app=idap&at_id=667376&blank=Y) Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen 2023-2025 und [Landesgesetzentwurf Nr. 121/22](http://www2.landtag-bz.org/de/datenbanken/akte/angaben_akt.asp?pagetype=fogl&app=idap&at_id=667379&blank=Y) Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Landesstabilitätsgesetz für das Jahr 2023. Alle drei Gesetzesentwürfe sind von der Landesregierung auf Vorschlag von Landeshauptmann Arno Kompatscher vorgelegt worden.
LH Arno Kompatscher erklärte einleitend, dass noch im letzten Moment Einschreibungen im Haushalt vorgenommen worden, etwa Mittel, die von Brüssel abhingen. Substanziell habe sich am Haushalt dadurch jedoch nichts geändert. Konkret gehe es um 136 Millionen Euro, die noch eingeschrieben würden – diese seien aber nicht frei verfügbar. So beträfen 50 Millionen Euro einen Immobilientausch, dies sei lediglich Vermögenswerte, keine Geldmittel. Dazu würden Mittel aus dem europäische Strukturfonds eingeschrieben sowie richtiggestellt würden die Dotierungen der Kollektivvertragsverhandlungen, die jüngst stattgefunden hätten. Das richtiggestellte Dokument sei bis Donnerstag fertiggestellt.
Als erste Abgeordnete ergriff Brigitte Foppa (Grüne) das Wort. Sie verwies auf die Ereignisse der vergangenen beiden Jahre, die die laufende Legislatur geprägt hätten. Das derzeitige Schauspiel in der SVP sei ein trauriges, die Bürger blickten auf ein System, das nur mit dem Krieg mit sich selbst beschäftigt sei; es gehe um das Ziel, die internen Gegner zu vernichten oder sich selbst als Opfer darzustellen. Die Folgen seien, dass sich die Menschen von der Politik abwendeten, und dass es die sachpolitische Ebene durcheinanderbringe. Das Gedockter und Geschuster beim neuen Wohnbaugesetz sei ein Beispiel dafür gewesen. Dies sei nicht die Politik, die die Grünen wollten. Das Zaudern des Landeshauptmannes bezüglich Wiederkandidatur habe auch zu Schwächung der Sachpolitik beigetragen; das Zaudern habe dargelegt, wie schwach und isoliert der Landeshauptmann in der eigenen Partei sei. Es sei schon seit längerem der Eindruck, dass das Boot schlingere – nicht nur jenes der SVP, sondern auch jenes der Landesregierung. Das führe zu einem Vertrauensverlust innerhalb der Bevölkerung. Dies alles sei Ende 2022 problematisch. Die Menschen seien gestresst. Pandemie, Krieg, Energiekrise und das alles vor dem Hintergrund von Klimakrise und Erderwärmung. Die Hoffnungslosigkeit mache sich vor allem in der Jugend breit. Ältere Menschen seien von einer Digitalisierung gestresst, die gestartet war als Demokratisierung und Erleichterung. Die einen hätten das Gefühl, nicht mehr mitzukommen, auf die anderen warte eine schier unlösbare Aufgabe. Diejenigen dazwischen, die vielen Familien und Menschen, würden auch gebeutelt, zum Beispiel von den steigenden Kosten. Es werde von verzagter Gesellschaft gesprochen, ein Ausdruck, der in der Nachkriegszeit häufig gebraucht worden sei. Wer Angst vor Statusverlust habe, sei nicht offen für Veränderungsdiskurse, wer Angst vor Armut habe, sei nicht offen für Verzichtsdiskurse, wer Angst vor Schwierigkeiten habe, sei nicht offen für Komplexitätsdiskurse etc. Die Grünen befürchteten, dass die Nachhaltigkeit deshalb wieder hinten angestellt werde.
Die Haushaltsrede hätte einen Weg aufzeigen sollen, stattdessen sei sie von einer beeindruckenden Originalität gewesen – genauso wie es der Haushalt sei.
Sie sei, erzählte Foppa, im vergangenen Jahr bei einem Fridays for Future-Veranstaltung in Mailand gewesen, wo es auch um Clima Justice gegangen sei. Im globalen Norden klinge Klimagerechtigkeit nach Verlust von Privilegien und nach Kosten, im globalen Süden dagegen wird Klimagerechtigkeit als einzige Chance zum Überleben gesehen.
Auch in Südtirol brauche es eine Diskussion und eine Plattform: Dazu solle endlich das Büro für politische Bildung eingerichtet werden. Die SVP habe das Referendum zur direkten Demokratie verloren, die Bürgerinnen und Bürger hatten sich gegen deren Einschränkungen ausgesprochen: Eine Debatte sei nötig, die nicht durch Demonstrationen zur Nachhaltigkeit ersetzt werden könne.
Es sei Ende 2022, und es gelte zu fragen, in welchen Zeiten wir lebten. In Bozen sei kürzlich ein junger Mann gestorben, es habe geheißen, er sei wegen der Kälte gestorben – doch er sei an Nicht-Aufnahme gestorben. Vielen Menschen gehe es schlecht. Sie habe dieser Tod tief getroffen, Europa habe hier eine Verantwortung, der es aber nicht gerecht werde. Auch in Südtirol würde sich Gemeinde und Land gegenseitig den Ball zuspielen.
Wohnungssicherheit würde in Südtirol künftig zeitbegrenzt sein. Die Landesrätin habe gesagt, Armut dürfe kein Dauerzustand sein – doch Armut sei sogar vererbbar. Zuletzt habe vor allem eines an Wert verloren: die Arbeit, während die Inflation und die Energiekosten gestiegen seien.
In Italien sei man durch die Wahl Giorgia Melonis in vielerlei Hinsicht zu Positionen zurückgekehrt, die man für überholt gehalten habe. Aber genau das sei es offenbar, was Italien wolle: eine Rückkehr zu starken und traditionellen Werten, der Wunsch, zu einer Welt zurückzukehren, die die Komplexität vereinfache, und dazu gehöre auch die Geschlechterfrage. Aber die Normalität sei ein sehr wichtiges Parameter für die Gesellschaft: Sie lege eine Norm fest und schließe diejenigen aus, die nicht in diese Norm passten. Das wüssten Frauen sehr wohl. Deshalb wolle sie nun über das Ende des Patriarchats sprechen, das darin bestehen würde, nicht mehr nur mit Hierarchie und Macht zu herrschen, sondern Komplexität gleichberechtigt zu managen.
Es brauche einen Plan und eine Gesellschaft, die bei der Umsetzung desselben mitgehe. Und die Regierungsmehrheit wolle im kommenden Sommer – vor den Wahlen – ein Feuerwerk an Plänen zünden, allen voran den Klimaplan. Normalerweise schreibe man Pläne zum Beginn, nicht am Ende. Abgesehen davon laufe die Zeit im Hinblick auf das Weltklima ab. Auch in Südtirol sei das Thema zu lange unterschätzt und alles auf Wachstum ausgerichtet geworden. Wenn sie sich als Landeshauptfrau 2013 bis 2023 etwas vorhalten würde, dann dass das Schlüsselthema Klima nicht ernsthaft angegangen worden sei. 2022 habe es diesbezüglich zwar einige geringfügige Maßnahmen gegeben, zum Beispiel weniger Betten oder weniger Weihnachtsbeleuchtung – wobei dies mit den höheren Energiepreisen viel schneller umgesetzt wurde als wegen des Klimas. Doch die notwendige gesellschaftliche Debatte habe endlich begonnen. Es brauche aber einen Plan, den alle mittragen würden. Aber dem Verzicht würde nur zugestimmt, wenn er den Nächsten betreffe.
Sie plädiere vehement für das B&B der Zukunftsfähigkeit: für Beteiligung und Bildung.
Sie hoffe, so Foppa, von einem Jahr der inakzeptablen Dinge zu einem Jahr der akzeptierten Dinge überzugehen, was Mut erforderte. Die Wahrheit sei den Menschen zumutbar, habe Ingeborg Bachmann einst gesagt – und im Wort zumutbar finde sich der Mut. Diesen brauche es nun, auch für die Wahrheit bezüglich Zukunft – die es eigentlich nicht gebe. Doch weil die Wahrheit den Menschen zumutbar sei, müsse das zum Ziel werden.
Hanspeter Staffler (Grüne) bemerkte, die Haushaltsrede des Landeshauptmannes sei auf Ausgleich und soziales Engagement ausgelegt gewesen, doch der Haushalt sei wirtschaftslastig und Themen wie die Energie kämen kaum vor. Alle wüssten, dass die Akzente im Laufe des nächsten Jahres erst noch kämen, noch sei der Landeshaushalt weder Fisch noch Fleisch. Wichtige Finanzmittel jedoch würden dem Landeshaushalt entzogen bzw. seien in diesem nicht abgebildet, zum Beispiel Gelder aus dem Pnrr oder Finanzmittel für Olympia, mit denen etwa die Straßenverbindung im Pustertal ausgebaut würden.
Die Grünen seien einverstanden mit der Nachhaltigkeitsdebatte, die der Landeshauptmann angestoßen habe. Aber ein Jahr der Nachhaltigkeitstour habe auch einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Nachhaltigkeit sei nur so gut wie das schwächste Glied in ihrer Kette, und in Südtirol sei man sowohl bei der sozialen Schiene wie auch bei der ökologischen Wende im Rückstand. Versprechen und Handeln würden sich nicht decken. Man setze auf Straßenbau, Erweiterung von Skigebieten, Industriebetriebe auf der grünen Wiese oder den Abbruch der Kaserne in Schlanders. Mehr Straßen würden mehr Verkehr bringen, mehr Lifte mehr Tourismus. Die Grünen seien für weniger Wachstum und mehr Wohlstand. Man hätte die ökologische Wende früher angehen können: ökologischer Anbau, ökologische Weideflächen u.a.
Staffler kritisierte, dass die Landesregierung nie die Verwaltung gegen die Bürokratiekritik aus der Wirtschaft in Schutz nehme, die unter Entbürokratisierung meist Privatisierung verstehe. Heute sei aber mehr Resilienz als Effizienz gefragt, angesichts der Krisen müsse man mehr Widerstandsfähigkeit entwickeln, sonst reiße der Faden beim ersten Widerstand. Die Landesregierung vermittle hingegen den Eindruck, dass die Verwaltung noch effizienter werden müsse und dass man den Mitarbeitern noch mehr abverlangen wolle, und das, obwohl diese einen Kaufkraftverlust von 15 Prozent erlitten hätten. Besonders schwerwiegend sei dies beim Lehrpersonal. Die Landesregierung habe die sieben fetten Jahre bis 2020 ungenutzt verstreichen lassen, um für eine ordentliche Entlohnung im öffentlichen Dienst zu sorgen. Immer mehr würden nach Österreich oder in die Schweiz abwandern wollen. Es brauche eine Bildungsoffensive mit viel besserer Bezahlung. Ähnliches gelte auch für die Pflege, deren Krise immer schlimmer werde. Österreich habe eine Pflegereform vorgezogen und ziehe nun auch Personal aus Südtirol an.
Mit der Wohnbaureform komme man dem Mittelstand nicht entgegen, es fehlten auch Maßnahmen gegen den Individualverkehr. Die EU wolle 30 Prozent des Territoriums unter Schutz stelle, Südtirol diskutiere, wie man Güllewirtschaft auch im Naturschutzgebiet betreiben könne. Man wolle immer alle mitnehmen, aber gute Politik müsse auch unpopuläre Akzente setzen: Schluss mit der Pestizidwirtschaft, mit neuen Straßen, mit der Urbanisierung auch der kleinen Dörfer.
Für die Ambivalenz dieses Haushalts sei vor allem Kompatscher verantwortlich. Eine Ambivalenz erkenne man auch in der Medienlandschaft, auch zwischen Landesregierung und Landtag. Es seien politische Spaltpilze am Werk, und auch dafür müsse der Landeshauptmann Verantwortung übernehmen. Die politische Ambivalenz in diesem Lande müsse durch politische Verlässlichkeit abgelöst werden.
(Autor: tres)
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