
(AGENPARL) – mer 14 dicembre 2022 Südtiroler Landtag
[Plenarsitzung – Generaldebatte zum Landeshaushalt 2023 (3)](https://www.landtag-bz.org/de/aktuelles/pm-landtag-aktuell.asp?art=Suedt672061)
Landtag – Die Stellungnahmen von Mair und Repetto
In der Haushaltsrede Kompatschers von 2017, der letzten der vorherigen Legislaturperiode, sei das Hauptthema damals die Sicherheit gewesen, erklärte Ulli Mair (Freiheitliche). Im aktuellen Bericht sei von Sicherheit gar nicht bis wenig die Rede, dabei spiele dieser Begriff gerade jetzt eine wichtige Rolle bei den Menschen. Die letzten Pandemiejahre seien sehr einschneidend gewesen, und wir befänden uns noch immer in bewegten Zeiten – weswegen Sicherheit nach wie vor eine wichtige Rolle spiele. Die Sicherheit habe in den vergangenen Jahren abgenommen.
Glaube der Landeshauptmann, dass er und die Landesregierung einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet hätten, dass sich die Menschen im Land sicher fühlten und vertrauensvoll in die Zukunft blicken könnten? Glaube er, dass sein Verhalten, dass er über ein Jahr wegen seiner Wiederkandidatur gezögert und gezaudert habe, den Menschen Sicherheit gebe? Wie schaue es mit der Planungssicherheit für Unternehmen aus? Wie mit den jungen Familien, die sich in Südtirol keine Wohnung mehr leisten könnten? Wie stehe es mit der Sicherheit, einen Termin für eine Visite im Krankenhaus zu bekommen? Wie sicher dürften sich Eltern fühlen, deren Teenagerkinder abends nach dem Kinobesuch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren? Wie stehe es mit der Sicherheit der Senioren? Wie mit der Sicherheit, dass man im Kontakt mit Ämtern seine Muttersprache verwenden dürfe? Diese Liste könne endlos fortgeführt werden.
Mair fragte den Landeshauptmann, ob er der Ansicht sei, dass er mit seiner Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre erfolgreich gewesen sei.
Alle Fragen solle er nicht ihr beantworten, sondern er solle sich selbst ehrliche Antworten geben. In einem sei sich Kompatscher in den vergangenen Jahren jedoch treu geblieben: Die Politik sei weichgewaschen, Mainstream. Doch wenn das so sei, dann solle man nicht so tun, als gehe der Haushalt in eine neue Richtung.
Im Großen und Ganzen ecke Kompatscher nirgends an, weil er auch nicht wirklich eine Richtung vorgebe, sondern sich ans System anpasse.
In der Pandemie habe man eindrucksvoll erlebt, wie man mit Menschen umgegangen sei, die sich vielleicht anders verhalten hätten oder anders gedacht. Es sei das Gefühl vermittelt worden, dass Politik spalte – dies erlebe man nach wie vor. Doch heute spalteten Medien in gute und böse Abgeordnete, die guten seien jene, die für Arno seien, die bösen, die die vielleicht gegen ihn seien. Als Landeshauptmann könne ihm nicht egal sein, was man derzeit erlebe. Gebracht habe das alles nichts, denn früher oder später nähmen die Probleme zu.
Der Landeshauptmann rede gerne über die Erfolge der Autonomie. Und diese sei auch international ein Vorzeigemodell, doch im eigenen Land sei sie immer pünktlich vor Wahlen in Gefahr.
Es gehe beim Landeshauptmann primär darum, Rom und Brüssel zu gefallen. Südtirol zukunftsfähig zu machen, bedeute aber unabhängig zu sein – und dazu bedürfe es Mut. Sie, Mair, erwarte sich vom Spitzenkandidaten Kompatscher, in Zukunft diesbezüglich mehr Mut an den Tag zu legen.
Die Lösung vieler realer Probleme bleibe auf der Strecke. Zum Beispiel werde seit Jahren über den schrumpfenden Mittelstand gesprochen, aber konkrete Maßnahmen dagegen würden nicht ergriffen. Den Südtiroler Familien fehle es nach wie vor an Anerkennung, während für Einwanderer alle Hebel in Bewegung gesetzt würden, blieben die Einheimischen auf der Strecke.
In erster Linie bräuchten Südtirols Familien eine Steuerentlastung. Das Land und die Gemeinden hätten diesbezüglich Spielräume, wenn auch die Hauptkompetenzen in Rom lägen. Sie fordere eine Irpef-Abschaffung für Einkommen unter 55.000 Euro.
Wenn die Bürger größtmöglich entlastet würden, bräuchten sie nicht um Beiträge ansuchen. Sie fände es skurril, wenn nun ein Register eingerichtet würde, in dem alle Beiträge aufgelistet würden. Sie sage auch zur Weiterführung der Südtiroler Subventionitis nein. In Südtirol müsste ein Mietwohnungsmarkt installiert werden; es sei dazu Mieter- und Vermieterschutz notwendig, eine Erhöhung der Gis werde nicht ausreichend sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei das Steuersplitting, mit dem die Steuerlast auf die Familienmitglieder aufgeteilt werde. Die Regierung Meloni habe diese Idee auch aufgegriffen; die Südtiroler Parlamentarier sollten daran arbeiten, dass dies weiter vorangetrieben werde.
Immer mehr ältere Menschen stünden immer weniger jüngeren entgegen. Auch das Familiengeld bedürfe einer Reform. Die Erziehungszeiten würden im Rentensystem nicht entsprechend gewürdigt. Während die Kindertagesstätten und damit die Fremdbetreuung von der öffentlichen Hand stark subventioniert würden, sei das beim Daheimbleiben der Kinder nicht der Fall. Die Freiheitlichen forderten seit Jahren eine Gleichbehandlung bzw. eine Wahlfreiheit.
Der Mangel an Arbeitskräften spitze sich von Jahr zu Jahr zu. Doch der Mangel sei ein hausgemachtes Problem, weil man auf bekannte Entwicklungen nicht reagiere.
Für die Freiheitlichen wäre es wichtig, dass Südtirol in Sachen Einwanderung die Entscheidungshoheit darüber hätte, wer kommen und wer bleiben dürfe. Das Land brauche einen bedarfsorientierten und qualifizierten Zuzug zum Arbeitsmarkt. Dazu bräuchte Südtirol die Kompetenzen, diese müssten entschieden eingefordert werden. Die Freiheitlichen stünden sehr wohl hinter den “fleißigen” Einwanderern, aber genauso lehnten sie all jene ab, die es nicht verstanden hätten, dass ihnen hier eine andere Situation angeboten werde, die sich als integrationsresistent erwiesen, die straffällig seien. Südtirol brauche eine geregelte und gesteuerte Einwanderungspolitik, jene, die nur in das Sozialsystem einwandern wollten, müssten ferngehalten werden.
In Sachen Energie müsse oberstes Prinzip sein, den Strompreis niedrig zu halten. Südtirol sei an erneuerbaren Energien reich, trotzdem aber an das europäische Verbundsystem gebunden – und damit an die internationalen Entwicklungen. Den Krieg in der Ukraine als Hauptgrund zu sehen für die Probleme, die Südtirol im Energiebereich habe, erscheine ihr falsch.
Auch die derzeitige Landesregierung habe bisher zu wenig gemacht, um die Energiepreise vom Wahnsinn der Weltmärkte und den Börsen zu entkoppeln. Es sei der Landesregierung und der Alperia bisher nicht gelungen, der Bevölkerung zu erklären, weshalb in Südtirol die Strompreise so hoch seien. Es sei auch nicht gelungen, jene zu widerlegen, die sagten, dass es andere Möglichkeiten gebe. Es sei völkerrechtlich verankert, dass ein Land über seine Ressourcen selbst bestimmen dürfe.
Zum leistbaren Wohnen: Die Immobilien- und die Baupreise seien in den vergangenen Jahren gestiegen, ein ähnliches Wachstum der Löhne und Gehälter habe es nicht gegeben. Weil jemand die weltweiten Schulden und Krisen finanzieren müsse, erdrückten die Zinsen der europäischen Zentralbank die Kreditnehmer. Wenn jemand heute bauen könne, dann weil er geerbt habe.
Wenn mehr als drei Viertel des Landeshaushalts laufende Ausgaben bzw. Fixkosten seien, sage das einiges aus. Junge Leute sagten immer wieder, dass man in Südtirol entweder bei der richtigen Partei sei oder es sonst schwierig habe.
Sie sei nun 19 Jahre im Landtag, sagte Mair: Streit innerhalb der SVP habe es in dieser Zeit jederzeit gegeben. Aber wie mit der aktuellen Krise umgegangen werde, verwundere sie. Trotz aller Schwierigkeiten, die es früher gegeben habe, sei von der SVP für Land und Leute gearbeitet worden. Doch derzeit hätten die Leute im Land diesen Eindruck nicht mehr, der Eindruck sei, dass es nur noch um Persönliches gehe. Besonders in der Landesregierung tue man nichts anderes, als tagtäglich die persönlichen Befindlichkeiten öffentlich darzustellen, sich als Opfer zu zeigen. Was derzeit passiere, sorge dafür, dass sich die Menschen, die ohnehin gebeutelt worden seien, in den vergangenen Jahren immer mehr distanzierten. Der vorliegende Haushalt sei ein Ausdruck dieser Situation. Dazu verdeutliche der Haushalt in den Zahlen auch, wer mit wem in der Landesregierung “könne”, doch bestraft würde damit nicht der Landesrat, sondern die Menschen dahinter.
Kompatscher habe sich anfangs als Erneuerer präsentiert. Doch man sei sehr schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt, und das System Südtirol sei wieder zutage getreten. So wie Durnwalder habe auch Kompatscher mit potenten Freunden ein System der Verflechtungen geschaffen, das derzeit vor aller Augen implodiere. Das aktuelle Bild sei das Ergebnis einer seit 70 Jahren herrschenden Partei.
Sie frage sich: Könnt ihr euch vorstellen, so weiterzumachen und wirklich für Land und Leute zu arbeiten? Es wirke nicht so. Der wahre Verlierer sei das Volk, das sich den aktuellen Herausforderungen stellen müsse. Den Menschen draußen sei egal, wer die Vorschläge einbringe, wichtig sei, dass etwas geschehe. Es habe Zeiten gegeben, in denen die Mehrheit die Opposition mehr mitarbeiten gelassen habe. Doch seit die SVP nur noch mit sich selbst beschäftigt sei, sei es schwierig. Doch letztlich sei es doch einerlei, ob Mehrheit oder Opposition – die Priorität müsste Südtirol sein.
Man habe das Gefühl, die SVP sei untereinander im Stande, sachlich zu reden, doch sobald der Raum verlassen werde, herrsche wieder Ellbogenmentalität. Man habe nicht das Gefühl, dass wieder Ruhe einkehre, dass es noch die Energie und Kraft für dieses letzte Jahr der Legislatur gebe. Doch dieses Jahr werde das herausforderndste werden. Die Menschen in diesem Land, die nach wie vor bereit seien, tagtäglich die Ärmel hochzukrempeln, hätten mehr verdient, als derzeit geboten werde.
Er habe, erklärte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten), einiges in der Haushaltsrede des Landeshauptmannes durchaus auch erfreulich gefunden, etwa das Augenmerk auf den Klimawandel, die Nachhaltigkeit, das Soziale und die Chancengleichheit, die Frauenbeschäftigung und die Pflegeberufe – allesamt Themen, die er im Wandel des Organisationsmodells der Gesellschaft als wesentlich erachte.
Es gehe in der Haushaltsrede Kompatschers um einen Haushalt, der zwar üppig sei, aber dennoch unter den Auswirkungen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine – mit der daraus folgenden Energiekrise – leide. Die Rede erscheine ihm, Repetto, reicher an Verweisen auf die Verwaltung, denn auf politische Visionen. Es sei eine Rede gewesen, die eher das Was als das Wie erzähle – und deshalb fehle das „Hochfliegen“ („volare alto“), das er sich erwartet habe.
Der Landeshauptmann habe in seiner Rede auch davon gesprochen, dass sich die Menschen auf einen Wandel vorbereiten müssten, der die Menschen und das Land verändern werde. In der Rede Kompatschers habe er indes keine großen Veränderungen wahrgenommen – viel eher Wiederholungen: Elf Mal sei das Wort Landwirtschaft vorgekommen, je sieben Mal ländlich und Wald, je drei Mal Borkenkäfer und Wolf – und auch Bozen drei Mal, was bedeute, dass der Landeshauptstadt dieselbe Bedeutung zugeschrieben werde, wie dem Borkenkäfer und dem Wolf. Bozen sei im Zusammenhang mit dem Bibliothekszentrum, dem Verkehr und dem Inflationsindex erwähnt worden. Ansonsten sei Bozen in Verbindung mit Provinz vorgekommen. Die Landeshauptstadt werde wie ein Ort behandelt, der keine Stimmen bringe – oder zu wenige für die Partei der relativen Mehrheit, und der deshalb wenig attraktiv sei.
Nicht einmal in den Schlüsselstellen der Rede finde sich ein Hinweis auf Bozen, stattdessen aber der Wille, den Wolf zu erlegen, um die Probleme der Berglandwirtschaft vereinfacht zu lösen, der „Pasticcio“ des Bettenstopps, der sehr schlecht gehandhabten Übergang hin zu einer vertretbaren Tourismusintensität. Um in Zeiten von Energie- und Klimakrise nicht vom Skitourismus zu sprechen. Und in Sachen Mobilität werde auf den staatlichen Wiederaufbauplan Pnrr verwiesen, und mit Bozen, das ein weiteres Mal an den Rand gedrängt werde.
Der Haushaltsrede fehle insbesondere die politische Vision für die jungen Menschen und für die Zukunft – angefangen beim Zustand der Universität, wo die Studenten keine Unterkünfte finden könnten. Eine Politik hinsichtlich Mieten fehle nicht nur bei den Studenten, sondern beim leistbarem Wohnen für alle.
Die Sanität sei ein komplexer Bereich, in dem es gelte Bürokratie abzubauen. Mit 64 Millionen aus dem Pnrr sollen zusätzliche Strukturen errichtet werden, was wichtig sei. Doch man riskiere, dass es viel zu wenige Pflegekräfte und Ärzte gebe, u.a. aufgrund der Zweisprachigkeit. Im Bereich Sanität werde ebenso wie in anderen Bereichen darauf geachtet, das Bestehende zu erhalten, was unnütz sei. Denn das Bestehende sei immer instabiler, die Ärzte verabschiedeten sich, weil sie keinen Zweisprachigkeitsnachweis hätten, die Krankenpfleger wagten es nicht, sich im Land niederzulassen, weil die Preise für das Wohnen zu hoch seien. Es gebe keine Strategie, die das Ganze schmackhaft machen könne.
Die politische Vision habe in Kompatschers Haushaltsrede gefehlt. Im letzten Teil habe er etwa vom Projekt AEQUITAS gesprochen, für welches jedoch der konkrete Finanzierungsplan fehle. Zudem sei zu hoffen, dass es sich dabei nicht nur um das übliche Pink Washing einer Provinz handle, in der die weibliche Beteiligung an der Governance noch immer zu niedrig sei, was auch das Ablehnen seines Abänderungsantrages zum regionalen Wahlgesetz gezeigt habe, in dem es um das Einfügen eines Entwurfs zur geschlechtergerechten doppelten Vorzugsstimme gegangen sei.
Die Kultur werde nach wie vor als Aschenputtel gesehen; in der Haushaltsrede sei das Wort lediglich zwei Mal vorgekommen – einmal in Verbindung mit dem Tourismus, einmal mit der Autonomie. Laut Istat-Daten seien die Ausgaben der Familien für Kultur in der Autonomen Provinz Bozen zuletzt deutlich zurückgegangen, von 4,5 Prozent im Jahr 2013 auf 1,9 Prozent 2020. Im Trentino sei im selben Zeitraum lediglich ein Rückgang von drei auf 2,5 Prozent verzeichnet worden. Dies sei ein entmutigendes Signal, das wohl auch auf das sehr geringe Gewicht der beiden Landesräte der Lega in der Landesregierung zurückzuführen sei, von denen in den vergangenen vier Jahren keine Taten in Erinnerung geblieben seien.
Man befinde sich in einer Situation, die von zahlreichen Schwierigkeiten geprägt sei. Die Arbeit, die man hätte machen müssen, sei nicht gemacht worden. Die Fähigkeit, neue Realitäten zu erkennen, fehle. Es gebe eine Wirtschaft im Tal und eine in den Bergen – dem werde nicht Rechnung getragen. In diesem Plenarsaal habe man nie begriffen, was Bozen sei – dazu müsse man in der Stadt leben: Es gebe Schwierigkeiten im Sozialen und im Wohnbau; diese Dinge nicht zu sehen, gehe nicht. Doch die Landesregierung tue so, als ob es diese Probleme nicht geben würde. Er hoffe, dass sich das zukünftig ändern würde – das Bestehende zu erhalten, reiche nicht aus.
(Autor: tres)
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